Daniel Kehlmann, F, Rowohlt 2013.
Die ästhetische Gegenreformation
rollt - wie eine Murmel dem Randstein entlang in den Gully. Neu zu erzählen!
lautet das Postulat der Bewegung und ihres Bewegers Kehlmann, sich nicht mehr
in der Sprache zu verlieren, sondern wieder einfach
zu erzählen. Nur, gegen welche Reformation richtet sich diese
Gegenreformation? Sie agiert, als ob die Literatur so grundsätzlich
experimentell reformiert worden wäre, dass Zettel's
Traum heutzutage zum Mainstream gehörte. Nichts aber entspricht der
Realität weniger. Immer schon, und in den letzten zwanzig Jahren sowieso, war
die überwältigende Mehrheit der Literatur Hausmannskost mit braven Plots,
braver Syntax und braven Ideen. Es gab keine Reformation, und es gibt keine
Gegenreformation. Alles was Kehlmann tut, ist, dem Haufen an mediokrer
Banalprosa weitere Masse zuzuführen. Das ist weder revolutionär noch radikal
oder geistreich, sondern - brav.
Kehlmann, wie Federica de Cesco,
schreibt für die Badewanne. Deshalb bin ich hier als Rezensent in einer
schwierigen Lage. Denn erstens bade ich selten, und zweitens habe ich zu
Asterix und Lucky Luke für die wenigen Badefälle über lange Jahre ein
Vertrauensverhältnis aufgebaut, das ich ungern störe. Natürlich bade ich oft
literarisch, aber dann bade ich in Literatur, nicht mit ihr (in Jelineks
Ätzlauge, nicht mit ihr in der hohlen Hand), und bade ich mit ihr, dann bin ich
eben besetzt. Ich habe also verzweifelt versucht, F außerhalb der Badewanne zu lesen, im Garten, im Ohrensessel, aber
bei Abwesenheit benebelnder Dämpfe war für mich einfach kein Umgang mit dem
Buch.
Ich lese Wortabfolgen wie Seit einer Dreiviertelstunde warte ich. Ich
habe keine Ahnung, warum ich hier bin, aber da die Klimaanlage funktioniert,
ist es mir ganz recht. Die Hitze drückt gegen die Fenster, die Luft draußen ist
vollgesogen; unwillkürlich frage ich mich, ob die Scheiben halten werden. Ich
nippe an meinem Pappbecher mit Kaffee (s. 107). Tja. Halbwegs sauber
geschrieben, sauber lektoriert, aber wozu soll ich das lesen? Ich raffe mich
wieder auf, sage mir, dass die Sprache ja nur ein Vehikel für die Geschichte
sein soll, und versuche mich an der Geschichte. Ich lese von drei
Reißbrettbrüdern, einem schwulen Künstler, dicken Priester, scheiternden
Geschäftsmann, mit einem noch papiereneren Vater, Schriftsteller, und
verzweifle erneut. Ich raffe mich wieder auf und sage mir, dass die Geschichte
ja nur ein Vehikel für die Spannung sein soll, die mich zum Umblättern bringt.
Ich blättere also fleißig um und schaue mir danach den Umschlag an. Ja, so
geht's. Leider lese ich dann im Klappentext, es handle sich bei diesem Roman um
ein "virtuoses Kunstwerk", und dunkel steigt die Ratlosigkeit vom
Himmel.